Beschlüsse 2016


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Resolution: Die Zukunft ist unsere Freundin: Wir machen unsere SPD wieder stark

Beschlossen: 2.6.2016 (Kreisvorstand)
Empfänger: Landesparteitag (zurückgezogen)

Das Wahlergebnis vom 13. März war für uns alle ein Schock. In unseren schlimmsten Alpträumen haben wir nicht damit gerechnet, auf einen Wert unter 15 Prozent zu fallen und gleichzeitig hinter der rechtspopulistischen und in Teilen auch rechtsradikalen AfD zu landen. Wir nehmen das Wahlergebnis zur Kenntnis, aber wir geben uns damit nicht zufrieden. Wir sind überzeugt, dass die SPD weiterhin eine große Zukunft vor sich hat. Die Sozialdemokratie hat noch lange nicht ausgedient, nicht in Baden-Württemberg, nicht in Deutschland und schon gar nicht in der EU.

Im Licht dieses Bewusstseins werden wir die Gründe für die Wahlniederlage analysieren, dann die Zukunft in den Blick nehmen. Wir fragen uns, wie wir wieder das Vertrauen der Menschen gewinnen können, für die wir die Sozialdemokratie da sein will. Das alles fließt in die entscheidende Frage ein, was die Themen der Zukunft sein werden.

I. Der Blick zurück

Wir richten den Blick zurück. Nicht im Zorn, sondern kühl und nüchtern. Wir stellen fest, dass 2016 im Gegensatz zu 2011 nicht von dem einen großen landespolitischen Thema getragen wurde, zu dem wir etwas zu sagen hatten. Wir haben auch kein sozialdemokratisches Thema zum Kernpunkt der Auseinandersetzung gemacht. Die SPD wirkte als verlängerte Werkbank des Hobbyschreiners Kretschmann, war keine eigenständige Partei mehr. Neben dem „Übervater“ Kretschmann musste unser Spitzenkandidat Schmid blass bleiben. Wir stellen fest, dass die Kampagne in der Grundanlage zu Baden-Württemberg passte, schließlich war Baden-Württemberg Anfang 2015 ein Land ohne Sorgen. Doch die Kampagne war technisch nicht in der Lage, auf die neue Situation im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ zu reagieren. Wir malten die Zukunft in warmen Farben, während sich die Menschen sorgten. Das konnte nicht funktionieren. Unsere Ministerinnen und Minister wurden in der Außendarstellung nicht präsentiert, die Konfrontation zwischen Ministerpräsident und Herausforderer kam ohne dritten Weg von uns aus.

Zu einer verunsicherten Landespartei kam der Gegenwind aus Berlin. Wahr ist, dass die SPD parallel in Rheinland-Pfalz die Wahl gewinnen konnte, was sicherlich nicht zuletzt der Kongruenz von Spitzenkandidatin und Partei zuzuschreiben ist. Der Mitte-Kurs für Baden-Württemberg konnte nicht funktionieren, schließlich tummeln sich hier mit Grünen, CDU und FDP bereits drei Mitte-Parteien. Baden-Württemberg ist ein klassisches „konservatives“ Land. Die SPD muss die Alternative zu den konservativen Mitte-Parteien sein, wenn sie wahrgenommen werden will.

II. Was ist zu tun?

Wir werden nicht im Katzenjammer versinken, sondern die Erneuerung als Chance begreifen. Für die Zukunft müssen wir unser Augenmerk stärker als bislang darauf legen, was konkret originäre sozialdemokratische Ziele sind. Diese Ziele werden wir kommunizieren, wir werden sie verfolgen und uns nicht vom Weg abbringen lassen. Wir werden unsere Ziele umsetzen. Wir brauchen ein Selbstverständnis, dass unsere Themenschwerpunkte nicht verhandelbar sind. Das heißt für uns gleichzeitig auch, dass nicht jedes Thema den gleichen Stellenwert haben kann. Wir werden Schwerpunkte setzen. Wenn das am Ende bedeutet, dass eine Koalition nicht zustande kommen kann, dann ist das so. Wir streiten für die sozialdemokratische Sache, nicht für Posten und Ämter.

Die falschen Eitelkeiten zwischen Partei und Fraktion müssen der Vergangenheit angehören. Wenn wir jetzt nicht in der Lage sind, endlich gemeinsam und solidarisch zu agieren, dann gibt es keine Garantie auf ein besseres Wahlergebnis in fünf Jahren.

Uns ist klar, dass unsere SPD sich an den entscheidenden Stellen verändern muss. Wenn selbst die AfD einen deutlich höheren Frauenanteil als die SPD-Landtagsfraktion hat, dann müssen alle Alarmglocken schrillen. Wir werden Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und junge Menschen verstärkt fördern. Dabei werden wir auf eine angemessene soziale Verteilung hinsichtlich der Herkunft achten.

Es gilt der alte Satz: Tue Gutes und rede darüber. Wir haben viel erreicht. Lasst uns den Menschen davon erzählen. Wir dürfen nicht zu stolz sein, mit unseren Erfolgen zu werben.

Wir werden den Wiederaufstieg nicht alleine schaffen. Wir brauchen die solidarische Kraft der Netzwerke in unseren Heimatorten. Wir müssen mit den Gewerkschaften reden, mit lokalen Vereinen, mit Umweltorganisationen, mit Sozialvereinigungen, mit Künstlerinnen und Künstlern. Wir dürfen uns nicht zu schade sein, Verbündete an den unmöglichsten Orten zu suchen, sondern wir müssen ohne Scheu und freudig auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen. Von Misserfolgen und Ablehnung lassen wir uns nicht schrecken.

Als Partei müssen wir uns wieder mehr über unsere Grundwerte austauschen. Was heißt es, für die Sozialdemokratie zu streiten? Was sind die Grundlagen der sozialen Demokratie im 21. Jahrhundert? Sind unsere Leitsterne Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität noch aktuell? Wir regen an, gemeinsam mit der Grundwertekommission beim SPD-Parteivorstand auch lokal darüber nachzudenken. Denn Sozialdemokratie ohne Werte ist bloße Sozialklempnerei.

Gleichzeitig ist uns klar, dass unsere Strukturen der Durchlüftung bedürfen. Um Verkrustungen aufzubrechen, wollen wir uns selbst ernsthaft prüfen. Das Gute werden wir behalten, das Schlechte verwerfen. Verhaltensweisen, die zu bloßen Ritualen erstarrt sind, sind nicht nur nutzlos, sondern schädlich. Sie kosten Zeit, Kraft und Geld. Heilige Kühe darf es nicht geben.

III. Wie wir wieder Vertrauen gewinnen

Nicht nur in einer Partnerschaft zwischen zwei Liebenden, auch in der Partnerschaft von Partei und Bevölkerung kann das Vertrauen verschwinden. Vertrauen ist mühsam erworben und schnell verspielt. Vertrauen ist wie eine zarte Pflanze, die durch schlechte Behandlung eingeht und nur mühsam wieder zum Leben zu erwecken ist. Wir alle kennen den hässlichen Satz, dass „die da oben doch eh machen, was sie wollen“. Der Satz ist hässlich, doch wir dürfen nicht so tun, als sei er aus dem Nichts entstanden. Richtig ist, dass Politik einen allgemeinen Vertrauensverlust erlitten hat. Gerade bei uns, die wir immer davon reden, dass unsere Handlungsmaxime von ewigen Werten geleitet wird, ist das jedoch besonders gravierend. Denn was unterscheidet uns am Ende von den anderen, wenn nicht das aufrechte Bemühen um das Bessere. Konstitutiv für Vertrauen ist Konsistenz von Vorstellungen und deren Ausführung. Wenn kein Verständnis für das WARUM entwickelt worden ist, kann auch ein gutes Werk keine guten Früchte tragen. Es bleibt dann Flickwerk.

Wir fragen, was es für unsere Gesellschaft bedeutet, dass wieder Allgemeingut ist, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden? Was es heißt, dass Menschen sich nicht mehr zutrauen, den eigenen Aufstieg zu schaffen?

Schöne Worte im Mund zu führen reicht nicht aus. Es ist eine politische Tat, das auszusprechen, was ist. Es geht dann aber darum, klare und eindeutige Gesetze zu formulieren. Ausnahmen sind individuell immer gut begründbar, aber am Ende höhlen sie die Akzeptanz und das Verständnis für Gesetze aus.

Wir wollen wissen, was die Bürgerinnen und Bürger, besonders die mit einem Bruttoeinkommen unter 2000 Euro, von der SPD erwarten. Dazu werden wir mit der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammenarbeiten.

Wir müssen uns wieder zu großen Zielen bekennen. Unsere Vision einer gerechten Gesellschaft, einer gerechten Welt bleibt aktuell und wirkmächtig.

IV. Die Themen der Zukunft

Unsere Gesellschaft und unser Land stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Wir nehmen diese Herausforderungen an. Wir ducken uns nicht weg, wenn unser Schweiß, unser Wissen, unser Können gefragt sind. Im Gegensatz zu denen, die vor Jahren vom Ende der Geschichte raunten, wissen wir, dass unser Weg niemals abgeschlossen sein wird. Neue Herausforderungen und neue Probleme tauchen auf, mit denen niemand rechnen konnte. Diese Tatsache liegt in der eigentlichen Natur des Menschen begründet. Sich darüber zu beschweren ist nicht nur wohlfeil, sondern verkennt auch das ewige Streben des Menschen nach Fortschritt und Veränderung.

Unsere Gesellschaft verändert sich. Immer mehr Menschen werden alt und sehr alt. Nicht alle Menschen brauchen Hilfe im Alter, aber viele brauchen sie. Wir werden Pflege, Barrierefreiheit und Inklusion solidarisch anpacken und verwirklichen. Niemand soll Angst vor dem Alter haben.

Im Alter meldet sich der Körper verstärkt zu Wort. Wir lassen die Menschen nicht allein mit ihrem Schmerz, mit ihrer Sorge um ihre Gesundheitsversorgung. Unser Ziel bleibt die BürgerInnenversicherung. Alle zahlen ein, von der Arbeiterin über den Grundschullehrer bis hin zur Vorstandsvorsitzenden. Gesundheit ist ein Menschenrecht. Wir wehren uns gegen die vollständige Kommerzialisierung dieses Menschenrechts. Effizienz ist richtig, aber totale Effizienz ist tödlich. Heilung darf kein Kostenfaktor sein.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist noch lange nicht verwirklicht. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen wir, dass Grundrechte auch mit Leben gefüllt werden müssen. Das gilt ebenso auch für die Queerpolitik. Für uns sind Gleichberechtigung und Feminismus keine Nebenwidersprüche, sondern wir haben sie als elementare Bestandteile sozialdemokratischer Politik im Blick. Wir haben August Bebel nicht vergessen.

Dass so viele Menschen bei uns Schutz gesucht haben und suchen, macht uns keine Angst. Wir sind stolz, dass unser Deutschland heute ein Zufluchtsort für Menschen ist, die vor Krieg, Terror und Vertreibung fließen. Viele dieser Menschen werden bei uns bleiben. Wir werden Einwanderung und Integration nicht einfach den freien Kräften des Marktes überlassen, sondern wir werden die Menschen, die zu uns kommen, zu neuen Deutschen machen. Wir wollen keine Segregation, wir wollen gemeinsam leben, leiden und lieben.

Die Digitalisierung kommt. Eine konkrete Herausforderung wird der Breitbandausbau sein. In jedem Ort gibt es Strom und Wasser, in jedem Ort muss es auch Glasfaserinternet geben. Wenn der Markt hier nicht liefern kann, muss der Staat dies sicherstellen. Die Digitalisierung wird bestehende Berufsbilder zerstören und neue Berufe erschaffen. Wir wissen nicht, welche Berufe eine Zukunft haben. Wir fühlen mit denen mit, die ihre Arbeit aufgrund von neuen technischen Entwicklungen verlieren. Die großen Techkonzerne sollen nicht frei schalten und walten können. Wir treten deshalb ein für ein Recht auf Bildung auf Weiterbildung. Arbeit ist für uns ein wesentlicher Bestandteil des Lebens in Würde. Wo die Nachfrage nicht ausreicht, um Menschen in gute Arbeit zu bringen, werden wir mit dem Instrument des zweiten Arbeitsmarkts dafür sorgen.

Jeder Mensch braucht eine Wohnung. Wir werden uns nicht damit abfinden, dass manche Innenstädte ausschließlich für die Oberschicht reserviert sind. Bezahlbarer Wohnraum wird unser Thema sein. Um leistungslosem Wohlstandsgewinn einen Riegel vorzuschieben, werden wir eine Baulandsteuer einführen.

Viele Menschen strengen sich an in ihrem Leben. Nur bei wenigen führt aber die Anstrengung zu Reichtum. Reichtum ist kein Makel, aber Eigentum verpflichtet. Wir werden eine funktionierende Vermögensteuer und eine Erbschaftsteuer einführen. Umverteilung gehört zu einer solidarischen Gesellschaft dazu.

Ohne eine gesunde Umwelt kann niemand gut leben. Deshalb nehmen wir die Herausforderung des Klimaschutzabkommens von Paris an. Gleichzeitig ist für uns klar, dass die Energiewende sozial gerecht sein muss. Wer die soziale Komponente ignoriert, bringt das große Ziel einer Welt ohne Kohle und Atom in Gefahr und versündigt sich damit an unseren Nachkommen.

Wir glauben an die Europäische Union. Wir wollen den Nationalstaat nicht abschaffen, aber gleichzeitig werden wir auch nicht zulassen, dass unser Menschheitsprojekt, unser Traum, unsere Europäische Union, einen langsamen Tod stirbt. Die Werte unserer Europäischen Union sind für uns ewige Werte, die für alle Mitglieder verbindlich sein müssen. Es kann keine Rabatte bei den Menschenrechten geben. Wir werden dafür kämpfen, Schritt für Schritt zu einer immer perfekteren, zu einer immer engeren Union zu kommen. Denn Europa ist für uns nicht nur ein Ort auf der Landkarte.

 

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