"Digitaler Wandel bedingt eine Weiterentwicklung der Demokratie"

Veröffentlicht am 22.07.2018 in Veranstaltungen

V.l.n.r.: Andrea Schröder-Ritzrau (Stellv. Kreisvorsitzende), Dr. Michael Mangold, Prof. Uwe Hochmuth, Holger Schröder

Die Digitalisierung wird immer wieder als eine grundlegende historische Veränderung bezeichnet und es vergeht kaum ein Tag an dem nicht euphorisch vom „Rohstoff der Zukunft“ und den Segnungen von „Arbeit 4.0“ oder der „Künstlichen Intelligenz“ berichtet wird. Wenn jedoch die Digitalisierung einen weitreichenden Umbruch in Arbeit, Bildung und im gesellschaftlichen Leben insgesamt in Gang setzt, dann sollte auch öffentlich über die Gestaltung dieser digitalisierten Zukunft diskutiert werden.

Einen Beitrag zu dieser erforderlichen politischen Gestaltung leisteten die SPD Ortsvereine rund um den Letzenberg (Rauenberg, Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach, Dielheim und Malsch) am letzten Mittwoch, den 18.07.2018 im Bürgerhaus in Mühlhausen.

Im Rahmen der Reihe „Was Menschen bewegt“ diskutierten sie unter dem Titel „Chancen und Risiken in der digitalen Gesellschaft – Herausforderungen (nicht nur) für die Verwaltung“ unter der Leitung des SPD-Ortsvereinsvorsitzenden von Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach, Holger Schröder, über die Bedeutung und Perspektive der Digitalisierung in der Demokratie. Ausgehend von den Veränderungen in den öffentlichen Verwaltungen, wie sie in den zurückliegenden Jahren durch zahlreiche Gesetze zum E-Government und open government-data auf den Weg gebracht wurden, wurde ein großer Bogen zu den Grundfragen der Demokratie und politischer Willensbildung geschlagen. Holger Schröder machte deutlich, dass diese Grundfragen zu stellen seien und einfache Formeln, wie „Daten als Rohstoff der Zukunft“ keine befriedigenden Antworten geben würden.

Die Basis zur Diskussion dieses anspruchsvollen Aufgabenfeldes leisteten zwei Wissenschaftler. Dr. Michael Mangold vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität Tübingen sowie Prof. Dr. Uwe Hochmuth, Finanzwissenschaftler und ehemaliger Stadtkämmerer von Karlsruhe erläuterten Ergebnisse aus einer empirischen Untersuchung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zu „open government-data“ in bundesdeutschen Kommunalverwaltungen.

Unter „open government-data“ – oder vielfach kurz „open data“ genannt – wird die Bereitstellung von Daten der öffentlichen Verwaltung für die Zivilgesellschaft, einzelne Bürger und die Wirtschaft verstanden.

Im Vortrag verwiesen die Referenten auf umfangreiche gesetzliche Reglungen zur Öffnung der Verwaltung und der Bereitstellung ihrer Daten, die mit der Hoffnung auf mehr Partizipation, neue Geschäftsmodelle sowie eine höhere Effizienz der Verwaltung verbunden sind. Die Untersuchungsergebnisse zeigen jedoch, dass die von der Bundesregierung umgesetzten europäischen Regelungen zur Öffnung der Verwaltung – zumindest bislang – nicht oder nur in sehr geringem Maße die gewünschten Wirkungen erzielten.

Die Referenten hoben kritisch hervor, dass zwar mit großem Aufwand seit über 10 Jahren Regelungen geschaffen werden, jedoch zentrale Dimensionen der Veränderungen bislang kaum beachtet wurden. Die öffentliche Verwaltung ist einer der größten Beschäftigungsbereiche in Deutschland überhaupt, dennoch werden beispielsweise die zukünftigen Anforderungen an diese Beschäftigten praktisch nicht thematisiert. Die Veränderung der Arbeitsabläufe und -inhalte, die daher erforderlichen Anpassungen der Qualifikation der Beschäftigten, die erforderliche Reorganisation der Verwaltung und viele weitere Aspekte werden insgesamt erheblich unterschätzt. Eine konzeptionelle Fehlanzeige stellen die Wissenschaftler bei der Frage nach einer Weiterentwicklung der demokratischen Teilhabe der Bevölkerung fest. Der Bürger könne nicht besser teilhaben und die Demokratie könne nicht gestärkt werden, nur indem die Verwaltung Daten zur Einsicht und Weiterverwendung freigibt, wie es die Gesetze vorsehen. Zudem sind nach den Gesetzen „Rohdaten“, also nicht bereinigte und nicht kommentierte, somit nur für ausgewiesene Statistikkenner verständliche Daten bereitzustellen. Es gäbe keine qualitätssichernde Vermittlung zwischen „mehr Daten“ und „besserer Willensbildung“, so die Wissenschaftler. Entscheidend sei die nachvollziehbare Argumentation und die kritikoffene Prüfung von Meinungen in der Öffentlichkeit. Die Parteien nehmen hier nach dem Grundgesetz eine zentrale Rolle in der Meinungs- und Willensbildung ein. Diese Rolle könne nicht „ersetzt“ werden durch mehr Daten, sondern sie solle in ihrer eigenen Wirkungsweise erweitert werden.

Diese Erweiterung kann z.B. durch wissenschaftliche Einrichtungen (u.a. Universitäten, anerkannte Forschungsinstitute), durch Gewerkschaften oder NGOs erfolgen, indem sie die Aufbereitung der Daten für die Öffentlichkeit übernehmen. So könne eine gewünschte Verbesserung der Information und im nächsten Schritt eine Verbesserung der Meinungs- und Willensbildung erreicht werden.

Besonders hoben die Referenten die Bedeutung eines Leitbildes für eine moderne, digitale Verwaltung hervor. Sie sei auf kommunaler Ebene zu entwickeln und sollte nicht als „Blaupause“ verstanden werden, vielmehr muss jede Kommune eine eigene, für sie passende Lösung finden. Die gegenwärtigen Umbrüche durch die Digitalisierung fordern von den politischen Repräsentanten darüberhinaus Vorstellungen einer zukünftigen Aufgabenteilung zwischen Politik, Verwaltung, einer zivilgesellschaftlich organisierten Öffentlichkeit und der Wirtschaft.

Nach Ansicht der Referenten seien insgesamt Bemühungen zu einer umfänglichen Weiterentwicklung der Demokratie erforderlich. Hier läge eine gleichermaßen wichtige, wie umfangreiche Aufgabe für alle Parteien. Da jedoch die SPD sich seit ihrer Gründung vor über 160 Jahren die Demokratie zum Kernthema ihrer Partei machte und dem Ideal einer demokratischen Gesellschaft von der deutschen Kaiserzeit, über die Diktatur des Nationalsozialismus bis in unsere Ära der Globalisierung und Digitalisierung treu blieb, sei dies eine besondere Aufgabe für die SPD, so das Ergebnis der Diskussion.

Die rege Teilnahme der Zuhörer an der gehaltvollen Diskussion motiviert die Veranstalter am Thema weiter zu arbeiten und weitere Diskussionen zu organisieren.

 

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