150 Jahre SPD: „Mit der SPD ist es wie mit der Religion“

Veröffentlicht am 23.05.2013 in Kreisverband

Foto: Kreutzer

150 Jahre Sozialdemokratie – da steckt viel Geschichte drin. Die wichtigsten Meilensteine sind bekannt, weniger die ganz persönlichen Erfahrungen an der Parteibasis. Die Rhein-Neckar- Zeitung hat deshalb vier „einfache“ SPD-Mitglieder aus der Region an einen Tisch geholt. Die 90-jährige Gertrud Oppenheimer aus Wiesloch und die Wiesenbacherin Monika Suske (87) gehören zu den ältesten Genossen der SPD Rhein-Neckar. Ole Scheuermann (16; Weinheim) und Merit Klenk (17; Epfenbach) sind die beiden Jüngsten im Kreisverband.

Im Interview blickt das Quartett zurück und voraus.

Warum sind Sie in die SPD eingetreten?

Oppenheimer: Mitglied bin ich erst seit 1996, gewählt habe ich die SPD immer. Ich stamme aus einer sozialdemokratischen Familie, mein Vater trat 1919 in die Partei ein. Die alten Arbeiterlieder „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘“ und „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ habe ich schon als Schulkind gesungen.

Hat Ihr Vater während der Nazizeit Probleme bekommen?

Oppenheimer: Ja. Er war Postbeamter, hat zweimal die Hakenkreuz-Fahne vom Dach des Amts geholt und sie verbrannt. Das war ganz schön mutig. Zum Glück ist ihm nichts Schlimmes passiert. Er wurde „nur“ beschimpft. Geprägt hat mich aber auch die Biografie meines jüdischen Mannes, der während des Kriegs in England lebte. Sein Leben lang war er aktiver Kommunist: Bis zu deren Verbot engagierte er sich in der KPD, später arbeitete er bei der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes; Anm.d. Red.) in Frankfurt. Mein Enkel Jan-Peter ist SPD-Stadtrat in Wiesloch und setzt die sozialdemokratische Tradition in meiner Familie fort.

Suske: Ich bin schon 1958 eingetreten; als Krankenschwester hatte ich ein Herz für die Schwachen. Mein Mann war schon etwas länger dabei. Er war lange Jahre im Vorstand der SPD in Wieblingen, und ich war die Kassiererin.

Klenk: Auch ich kannte die Partei von meiner Familie und der Nachbarschaft. Mitglied bin ich geworden, weil mir Werte wie Gerechtigkeit und Solidarität etwas bedeuten. Dafür steht die SPD.

Scheuermann: Ich bin erst seit März dabei. Ich habe mir davon keine Vorteile versprochen, und mein Umfeld ist auch nicht besonders politisch. Etwas tun wollte ich und mich nicht nur in den Nachrichten informieren. Ich wusste,dass mir Freiheit und Gerechtigkeit wichtig sind. Deshalb die SPD. Weil ich mich auch für relativ wirtschaftsliberal halte, spielte ich für kurze Zeit mit dem Gedanken, in die FDP einzutreten, als ich mir eine Partei gesucht habe.

Suske: Die Solidarität hält mich in der Partei. Daran hat sich in all den Jahren nichts geändert. Mit der SPD ist es wie mit der Religion: Man bleibt ihr treu.

Was waren denn Ihre schönsten Momente in der Partei?

Suske: Es war immer toll, wenn wir gewonnen haben. In besonders guter Erinnerung ist mir Willy Brandts Wahl zum Bundeskanzler 1969. Er war so ein Menschenfänger. Eine tolle Zeit. Sein Finanzminister Alex Möller und mein Mann waren Freunde. Bei seinen Besuchen in Heidelberg kam er immer zum Mittagessen vorbei. Auch Brandts Nachfolger Helmut Schmidt habe ich von Anfang an sehr geschätzt.

Oppenheimer: Willy Brandt, ja, eine beeindruckende Persönlichkeit.

Brandt, Schmidt, Schröder – und im Herbst Steinbrück? Glauben Sie, dass er eine Chance hat, vierter SPD-Bundeskanzler in der Nachkriegsgeschichte zu werden?

Suske: Ich hoffe, dass es SPD und Grüne schaffen. Aber ich fürchte, dass „Mutti“ (Kanzlerin Angela Merkel, Anm. d. Red.) großen Einfluss auf die Wähler hat. Sie ist halt sehr beliebt.

Oppenheimer: Eskommtdarauf an, ob die FDP reinkommt. Was man nicht vergessen darf: Die Grünen haben uns in der Vergangenheit geschadet und uns zahlreiche Wähler weggenommen.

Klenk: Im besten Fall reicht es für Schwarz-Rot.

Scheuermann: Ich bin nicht nur SPD-Mitglied, sondern auch Fan von Werder Bremen. Bei beiden hoffe ich, dass sie endlich wieder erfolgreich sind. Für mich persönlich wäre auch Rot-Rot eine Option.

Klenk: Mit der CDU stehe ich auf Kriegsfuß. Ich will nicht, dass Merkel so lange wie Kohl an der Macht bleibt.

Und Steinbrück? Ist er der richtige Kandidat?

Klenk: Ja (grinst und blickt skeptisch).

Suske: Ich weiß nicht, ob er der richtige Kandidat ist. Die Diskussionen um seine Vortragshonorare haben ihm und uns geschadet.

Oppenheimer: Ja, und er hat auch schon einige fragwürdige Aussagen vom Stapel gelassen. Aber gibt es denn einen Besseren? Unser Parteichef Sigmar Gabriel hat mit seiner Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn ja eher ein Eigentor geschossen …

Scheuermann: Ich finde schon, dass Steinbrück für SPD-Werte steht. Und er hat Charisma.

Steinbrück steht auch für die Agenda 2010, die die SPD in eine tiefe Krise stürzte, von der sie sich bis heute nicht wirklich erholt hat.

Suske: Ich glaube nicht, dass jemand die Befürchtung haben muss, die SPD schlage sich auf die Seite der Industrie und des Kapitals. Scheuermann: Ich denke, es war richtig, dass sich damals etwas veränderte, um Deutschland neu aufzustellen. Schröder hatte die Zeichen der Zeit erkannt.

Gefällt Ihnen das Programm für die kommende Bundestagswahl?

Suske: Was ich bislang davon gehört habe, ja. Toll, dass wir weiterhin die Armut bekämpfen wollen.

Scheuermann: Gut ist auch, dass in unserem Konzept Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt.

Suske: Mir gefällt der Leitspruch des Programms „Mehr wir, weniger ich“. Wir sollten tatsächlich in der Gesellschaft wieder mehr aufeinander zugehen, solidarisch sein.

Kurz zurück zu Schröder: Ausgerechnet unter seiner Ägide beteiligte sich Deutschland 1999 im Kosovo zum ersten Mal an einem Kriegseinsatz.

Suske: Trotzdem sollte es immer das Ziel der SPD sein, Krieg und Hass die Stirn zu bieten. Ich weiß, wovon ich spreche. Mein Vater ist vom Krieg nicht mehr zurückgekehrt.

Scheuermann: Immerhin gibt es heute insgesamt weniger Kriege, und einem Einsatz im Irak hat Schröder damals eine klare Absage erteilt.

Frau Klenk, Herr Scheuermann, als Parteimitglieder sind Sie in Ihrer Generation die Ausnahme, oder?

Klenk: Ja, die Bereitschaft, in einer Partei mitzuarbeiten, geht zurück. Die Parteien gelten als angestaubt.

Scheuermann: Manche wissen nicht einmal, für was die Abkürzung SPD steht. Viele Jugendliche sind einfach zufrieden und wachsen heute vergleichsweise oft in guten Verhältnissen auf. Sie wollen sich nicht binden, sondern flexibel bleiben.

Klenk: Vielleicht geht es uns zu gut. Es fehlt ein Thema, für das die jungen Leute brennen.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung

 

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